Wir alle kennen Schmerzen. Sie sind Teil unseres Lebens. Und ja sie stören uns, bohren, lassen uns nicht schlafen, erinnern uns an alte Wunden etc.
Aber warum haben wir eigentlich Schmerzen? Wozu sind sie dann gut? Warum hat man uns eigentlich mit diesem – nennen wir es mal Mechanismus – ausgestattet. Aus biologischer Sicht ist das ganz einfach: Weil Schmerzen höchst effektiv sind! Sie helfen uns aus Situationen heraus zu kommen, die uns nicht gut tun. In diesem Blog-Artikel möchte ich auf körperliche Symptome eingehen, also körperliche Schmerzen. Auf „psychische Schmerzen“ die eine andere Form des Leids darstellen, werde ich in einem der folgenden Artikel noch eingehen. Wenn nicht erinnere mich bitte ;)
Im Alltag sorgen wir häufig schnell für Ablenkung oder Linderung der Schmerzen. Wir greifen dann zu Schmerzmitteln, nehmen ein heißes Bad oder sorgen für elektronische Ablenkung. Wir wenden dem Schmerz den Rücken zu. Im Allgemeinen kann das schon hilfreich sein. Die meisten Schmerzen verschwinden wieder von allein, meistens unbemerkt und genauso schnell wie sie gekommen sind. Etwas anderes ist es, wenn Schmerzen über Wochen andauern und nicht nachlassen. Dann werden Schmerzen chronisch und es beginnt ein komplexes Wechselspiel aus neurologischen und hormonellen Prozessen. Folgen können sein, dass uns der Mut verlässt und wir durch den Widerstand das Leiden noch zusätzlich befeuern.
Die gute Nachricht ist – Meditation ist ein gutes Mittel einen neuen und leichteren Umgang mit unseren Schmerzen zu bekommen. Wie geht das? In der Meditation lernen wir körperlichen Empfindungen, Gedanken und Emotionen als Meditationsobjekte unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Es passiert immer wieder, dass wir abgelenkt sind, unsere Gedanken auf Wanderschaft gehen und wir immer wieder zum Meditationsobjekt zurückkehren. Wir lernen Gedanken, Emotionen und körperliche Phänomene voneinander zu unterscheiden. Und wir lernen wie sie zusammen wirken und sich teilweise verstärken. Das ist bei Schmerzen während der Meditation genauso: Reagiert der Geist aufgeregt und gereizt auf Schmerzen, wirkt das auf den Körper zurück. Sogleich baut sich Spannung um den ursprünglichen Schmerz herum auf. Die Situation verschlechtert sich. Begegnen wir dem Schmerz aber entspannt, akzeptierend, voller Mitgefühl für uns selbst, dann können wir ihn viel eher sehen als das, was er ist: ein Signal, das erhört und akzeptiert werden möchte, das uns zeigt, hier ist etwas im Ungleichgewicht, hier wurden Grenzen verletzt.
Desweiteren ergründen Meditierende die unkontrollierbare Natur des Schmerzes: Er kommt spontan tritt wellenartig auf und verschwindet manchmal ohne weiteres Zutun. Es nützt nichts wenn wir Widerstand aufbauen. Bemerken wir Schmerzen und wollen sie unbedingt loswerden, weil sie uns stören, unangebracht vorkommen oder ablenken, dann entsteht Widerstand in uns. Oft folgt auf den geistigen Widerstand körperliche Verspannung. Und was ist die Konsequenz? Richtig! Noch mehr Schmerz – noch mehr Gedanken – noch mehr Widerstand und so weiter.
Teilweise entstehen Gedankenverkettungen und Geschichten, die uns immer mehr in einen Strudel, den wir selbst erzeugen, ziehen. Es entsteht Leiden. Und wir kommen in alte Muster aus Abbruch, Medikamenten und /oder Ablenkung zurück. Die Alternative ist Loslassen der Schmerzen, Hingabe und Mitgefühl dem eigenen Seinszustand gegenüber. Wir bemerken dann im geänderten Schmerzerleben, wie wir uns in den Schmerz hinein entspannen können, erleben, wie er sich wandelt und was wirklich hilfreich ist. Durch diese Form der Haltung ist Heilung möglich. Gedanklich und Emotional entspannen wir und das wirkt sich körperlich aus. Wir können die zurückgewonnene Energie auch für körperliche Heilung nutzen.
Auch wenn es keine Garantie für eine physiologisch messbare Schmerzreduktion durch Meditation gibt, ist das geänderte Schmerzerleben, die Reaktionsmuster und die Möglichkeit aktiv etwas zu tun für Menschen mit Schmerzen sehr wertvoll.
MBSR und ähnlich Programme können uns helfen: Eine Studie aus dem Jahr 2008 mit älteren Erwachsenen, allesamt chronische Schmerzpatienten mit Schmerzen im unteren Rückenbereich, kommt zu positiven Resultaten bei der Schmerzreduktion durch Meditation. Es handelt sich dabei um 37 Testpersonen, die alle über 64 Jahre alt waren und deren chronische Rückenschmerzen mindestens drei Monate andauerten und täglich oder nahezu täglich von mindestens moderater Stärke waren. Als nicht-pharmakologische Schmerzbehandlung wurde Meditation in einem 8 Wochen dauerenden Programm mit eingesetzt. Drei Monate danach wurde eine follow-up Untersuchung durchgeführt. Einige Teilnehmer der Studie berichteten, dass sie sich aufgrund der Meditationsübungen besser konzentrieren können und dass die Meditationspraxis unmittelbar positive Auswirkungen auf ihre Befindlichkeit und langfristig auf die Qualität ihres Lebens habe.1) Das Resultat dieser Studie ist, dass Meditation eine vielversprechende Möglichkeit ist, in der Behandlung chronischer Schmerzpatienten.
1)Morone, NE: Mindfulness meditation for the treatment of chronic low back pain in older adults: A randomized controlled pilot study, in: The journal of pain : official journal of the American Pain Society, 2008; 134(3), 310–319. Sowie ebenfalls dazu die Tagebuchauswertung von 27 Teilnehmern: Morone N E et al: „I felt like a new person.“ the effects of mindfulness meditation on older adults with chronic pain: qualitative narrative analysis of diary entries, in : The journal of pain : official journal of the American Pain Society, 2008, 9(9), 841-848. Vergl. auch: Zeidan, F., Emerson, N., Farris, S., Ray, J., Jung, Y., Kraft, R.A., McHaffie, J.M., & Coghill, R.C. (2015). Neural mechanisms supporting mindfulness-based pain relief as compared to placebo analgesia and sham mindfulness meditation, in: Journal of Neuroscience, 35(46), 15307-15325. Zeidan, F., Lobanov, O.V., Kraft, R.A., & Coghill, R.C. (2015). Brain mechanisms supporting violated expectations to pain, in: PAIN, 156(9), 1772-12785; Grant, J.A. & Zeidan, F. (in press). Mindfulness meditation modulates the conscious experience of pain: A neuroscientific account. Zeidan, F., & Grant, J.A. (in press). The neurobiology of meditation-related pain relief as compared to hypnosis-induced analgesia, in: Hypnosis and Meditation: Bridging Domains of Contemplative Science.
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